Es waren einmal drei Brüder, die mit ihren Eltern am Rande des Waldes lebten. Eines Tages schickte der Vater den ältesten Sohn in den Wald, damit dieser Holz sammle. Als er im Wald war, traf er auf eine alte Hexe. Sie sagte zu ihm zornig: „Verschwinde von hier!“ Er aber fragte sie: „Wer bist du denn und was machst du hier?“ Da wurde sie so zornig, dass sie ihn versteinerte. Die Familie war aber besorgt um ihn, da er nicht mehr heimkam. Darum ging am nächsten Tag der zweitälteste Sohn in den Wald und fand nach ein paar Stunden Suche seinen versteinerten Bruder, worüber er sehr erschrak. Da kam auch die böse Hexe wieder und herrschte ihn an: „Jetzt ist noch einer da! Deinen Bruder habe ich bereits verhext. Also verschwinde, wenn dir dein Leben lieb ist!“ Da befahl er ihr: „Verwandle sofort meinen Bruder zurück!“ Aber sie ließ den zweitältesten Sohn zu einer Holzstatue werden und sprach grinsend: „Nun sieh zu, dass du nicht morsch wirst! Das hast du davon, wenn du mir befehlen willst!“
Die Familie war nun noch besorgter, da auch der zweitälteste Sohn nicht zurückkam. „Ja, was kann denn im Wald passiert sein?“, grübelte der Vater. „Was machen wir denn nun?“, fragte die Mutter besorgt. „Morgen geh ich in den Wald!“, sagte der jüngste Bruder. Doch die Mutter wollte das nicht zulassen und sagte: „Auf keinen Fall! Das ist zu gefährlich! Ich will dich nicht auch noch verlieren!“ „Niemanden haben wir verloren! Die beiden kommen schon noch!“, sagte der Vater ernst. Doch der Sohn gab nicht nach und am nächsten Tag ging er in den Wald, um seine Brüder zu suchen. Nach Stunden fand er seine zwei verzauberten Brüder und war sehr erschrocken. Bald kam die Hexe wieder und schrie: „Was machst du hier? Verschwinde, bevor es dir wie deinen Brüdern ergeht!“ Da bekam er Angst und rannte nach Hause. Dort erzählte er alles seinen Eltern und sie erschraken sehr. Da sagte der Vater, der sich Tage zuvor eine Verletzung zugezogen hatte: „Uns könnte nur die gute Zauberin helfen, die in der Felsenhöhle lebt. Doch meine Verletzung am Bein ist noch nicht ausgeheilt. So weit kann ich nicht gehen!“ Da sagte der Sohn, dass er dorthin gehen werde. Am nächsten Tag frühmorgens ging er zur besagten Höhle, vor der ein Bächlein rauschte, das er überqueren musste. Er ging etwas schüchtern in die Höhle hinein und grüßte freundlich. Dann erblickte er die gute Zauberin, die seinen Gruß erwiderte und ihn freundlich fragte, was er bei ihr suche. Sodann erzählte er ihr alles und bat sie um Hilfe.
Sie sagte, sie wolle ihm gerne helfen, aber ihre Macht sei einst gebrochen worden. Ein böser Zwerg habe ihren Zauberstab weggenommen und in sein Reich gebracht. Er lasse dort niemanden hinein und sie selbst könne den Stab nicht zurückholen. Wenn der Junge es schaffen würde, in das Reich des Zwergs zu kommen und diesen sogar zu besiegen, so müsse er ihr ihren Stab bringen, dann hätte sie wieder Macht und könne ihm helfen. Er fragte aber: „Wie soll ich denn den Zwerg besiegen? Was muss ich machen?“ Sie antwortete: „Nimm diesen Trank mit. Wenn das der Zwerg trinkt, verliert er all seine Macht. Du musst aber klug sein, denn er wird nicht so einfach daraus trinken.“
Er nahm den Trank und ging zum Reich des bösen Zwerges, das im nahen Wald lag. Als er dort ankam, war da eine riesige Mauer, die von Bäumen teilweise verdeckt war. Da fand er auch ein großes Tor und klopfte fest daran. Bald darauf machte ihm ein Zwerg auf, der ein finsteres Gesicht machte. Er fragte wütend: „Was willst du hier?“ Der Junge antwortete: „Ich habe mich im Wald verirrt und bitte um Obdach für eine Nacht!“ Da wurde der Zwerg noch wütender und brüllte: „Was? Was fällt dir ein? Ich bin kein Gasthaus! Verschwinde!“ „Wenn du mich hineinlässt, gebe ich dir einen kräftigenden Trank als Dank. Der allein hat mich die letzten Tage am Leben erhalten, als ich im Wald umherirrte, ohne etwas zu essen.“ Da wurde der Zwerg stutzig, war aber viel zu misstrauisch, um dem Jungen zu glauben. So fragte er: „Wer hat dir den Trank gemacht?“ „Meine Großmutter. Sie ist eine alte Wunderheilerin und weiß gar viel.“ „Nun, so trink zuerst heraus, damit ich seh, dass er nicht vergiftet ist.“ „Nein, werter Herr. So viel ist da nicht mehr drinnen. Trinke ich da nur einen Schluck, ist alles weg.“ Da wurde der Zwerg sehr zornig, nahm einen Stock und wollte damit den Jungen zusammenschlagen. Doch vor Schreck schüttete er dem Zwerg den Trank ins Gesicht, wodurch dieser ein wenig davon schluckte. Aber es reichte aus, um den Zwerg zu schwächen und zu besiegen, der plötzlich verschwand.
Der Junge ging durch das Tor und fand innerhalb der Mauern eine Falltür, die er öffnete. Dann ging er die Treppe hinunter, so wie es ihm die Zauberin gesagt hatte. Unten angekommen, sah er einen wunderschönen, unbeschreiblich prächtigen Saal. Er sah sich um und fand an einer Wand drei Stäbe. Die Zauberin hatte ihm aber nichts von drei Stäben gesagt. Er nahm einen, der für ihn sonderbar aussah. Als er den Saal verlassen wollte, sah er eine Kugel aus einem Metall, das er noch nie gesehen hatte. Sie leuchtete herrlich blau und war so schön, dass er sie mitnahm.
Als er den Stab der Zauberin brachte, merkte sie, dass dieser nicht funktionierte, und sprach: „Das ist nicht mein Stab. Dieser hier ist aus dem Holz eines Baumes, der in einem fernen Land wächst. Du musst noch einmal in das Reich des Zwergs gehen und mir meinen Stab herholen.“ So musste er noch einmal hingehen. Er hatte aber zu fragen vergessen, welchen von den zwei anderen Stäben er nehmen musste. Nach längerem Überlegen nahm er einen, den er der Zauberin gab. Aber auch mit diesem konnte sie nicht zaubern und sagte: „Der ist auch nicht meiner. Denn der hier ist wieder aus einem fremden Gewächs gemacht worden. Wie viele Stäbe hat der Zwerg denn dort? Geh noch einmal dorthin und bring mir meinen mit!“ So musste er noch einmal hingehen und nahm diesmal den letzten Stab. Damit konnte sie nun endlich zaubern, denn dieser war aus einem Gehölz aus den Bergen gemacht worden.
Sie gingen dann zu dem Ort, an dem die verzauberten Brüder standen. Die gute Zauberin verwandelte die beiden mit ihrem Stab wieder zurück, worüber sich alle freuten. Dann sagte sie aber ernst: „Seid leise, meine Lieben! Wenn die Hexe kommt, müsst ihr schnell verschwinden!“ Da fragte der Jüngste: „Kannst du die böse Hexe nicht vergiften?“ Darauf antwortete sie: „Nein, leider nicht. Denn der Trank wirkte nur bei bösen Zwergen. Ich konnte den Zauber der Hexe mit Mühe aufheben, aber gegen sie mit Zaubermacht kämpfen wird mir nur schwer gelingen.“ Sie wollten also weggehen, da kam auch schon wieder die Hexe, die zornig fragte, was sie denn hier alle machen würden, und wollte sie verzaubern. Doch die gute Zauberin konnte mit ihrem Stab den Fluch der Hexe gerade noch zurückhalten. Dabei entstand aber so ein starker Sturm, dass der jüngste Bruder zu Boden stürzte und ihm die blaue Kugel aus seiner Hosentasche fiel. Die gute Zauberin und die Hexe kämpften mit ihren Mächten gegeneinander an und es stürmte währenddessen stark. Die Zauberin hatte trotz des Kampfes die Kugel bemerkt und sagte zum Jungen: „Du hast die blaue Kugel! Gib sie mir in die linke Hand! Schnell!“ Er gab sie ihr und sie sprach:
„Kugel, nimm der Hexe Macht,
von jetzt an Tag und Nacht,
auf dass sie nicht mehr zaubert,
mach aber, dass sie zaudert.“
Da ging ein blauer Lichtstrahl von der Kugel aus und zielte auf die Hexe, die dabei sehr erschrak und plötzlich nicht mehr zaubern konnte. Da wurde sie in Stein verwandelt, da die Zauberin den Hexenfluch zurückwarf. Alle freuten sich sehr und die drei Brüder gingen zu ihren Eltern zurück, die darüber sehr glücklich waren.
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