Es war einmal ein König, der hatte eine kränkliche Frau. Er wusste, dass es nur ein Heilmittel gäbe, nämlich die Birnen aus dem Garten des mächtigsten Zauberers im Land. Es gab viele, die versuchten, sie zu holen, aber sie scheiterten alle. So vergingen einige Jahre. Unweit der Burg des Königs befand sich ein kleines Dorf, in dem ein Junge namens Julian lebte. Er war sehr mutig und es schien, als ob er sich vor nichts fürchtete. Eines Tages erfuhr er, dass der König tapfere Männer suche, die es schafften, die Birnen des Zauberers zu bekommen und in die Burg zu bringen. Da fasste er den Entschluss, in die Burg zu gehen und den König zu fragen, wo sich denn der sonderbare Garten des Zauberers befinde. Der aber lachte nur und sagte: „Ha! Du Jüngling willst dich auf den Weg machen? Das schaffst du nie und nimmer! Selbst starke und kluge Männer haben versagt!“ Aber Julian bat weiter und wollte nicht weggehen. Da wurde der König zornig und ließ ihn hinauswerfen. Julian war darüber sehr verärgert und musste wieder nach Hause gehen.
Da fiel ihm ein, dass es unweit des Dorfes einen Brunnen gab, der einen älter machte und daher von allen Menschen gemieden wurde. Julian entschied sich, zu diesem Brunnen zu gehen und sich mit dem Wasser zu waschen. Als er dies getan hatte, bekam er plötzlich ein älteres Aussehen und einen dichten Vollbart. So ging er dann zum König, der ihn nicht mehr wiedererkannte und ihm den Weg zum Garten erklärte. „Aber pass bloß auf“, fügte er schließlich hinzu, „der Zauberer darf dich nicht sehen und den bösartigen Wächtern des Gartens, grausame Tiere, musst du auch entkommen. Bisher hat es noch niemand geschafft.“ Julian machte sich auf den Weg und musste drei Tage lang gehen, bis er zu einem Felshang kam, von dem ihm der König erzählt hatte. Diesen musste er hinaufklettern, um in den Garten zu kommen. Die Zauberkraft des Brunnenwassers hatte aber bereits etwas nachgelassen und Julian hatte keinen so dichten Bart mehr und sah wieder etwas jünger aus. Er sah sein Spiegelbild in einer Pfütze und sagte sich: „Ich muss mich beeilen, sonst sehe ich wieder ganz jung aus, wenn ich beim König bin.“ Also kletterte er den Felshang hoch.
Als er oben angekommen war, sah er einen Bären, der auf ihn zukam. Da Julian furchtlos war, stürzte er sich auf ihn und kämpfte mit ihm. Der Bär war überrascht über den Mut, den Julian zeigte, stolperte über einen Stein und stürzte zu Boden. Er lag gleich vor dem Abhang und hatte Angst, von Julian hinuntergeworfen zu werden. „Bitte“, flehte der Bär, „lass mich leben! Ich werde es dir vergelten. Wenn du zum Garten meines Herrn willst, dann sag ich dir, was du tun musst, um hineinzugelangen.“ „Ich lasse dich leben. Also sag es mir“, sprach Julian aufgeregt. „Mein Herr hat noch zwei andere Bären, die den Garten bewachen. Die sind kräftiger als ich, die kannst du nicht besiegen. Daher sag zu ihnen: ‚Metekmak‘. Das ist ein Zauberwort meines Herrn und wenn du es kennst, werden sie glauben, dass du ein Diener von ihm bist. Dann werden sie dich in Ruhe lassen. Stehst du dann vor dem schönen Gartentor, musst du wieder ‚Metekmak‘ sagen, dann geht es auf. Und sagst du es beim Verlassen des Gartens noch einmal, dann geht es zu.“ Julian bedankte sich und ging weiter. Da kam ein gewaltiger Bär daher, der zornig dreinblickte. Da sagte Julian: „Metekmak“, und der Bär ließ ihn in Ruhe. Bald darauf kam ein noch größerer Bär, zu dem er wieder sagte: „Metekmak“. Der Bär verzog sich daraufhin und Julian sah sogleich das wunderschöne Gartentor, das golden leuchtete. Er sagte wieder: „Metekmak“, und das Tor öffnete sich.
Er ging hinein und war von der Schönheit des Gartens überwältigt. Alleen, Blumenwiesen, Beete, Obstbäume und Zierpflanzen erfreuten sein Auge. Er konnte fast gar nicht aufhören, den Garten zu bestaunen, doch dann erinnerte er sich wieder daran, dass er den Birnbaum suchen sollte. Als er ihn gefunden hatte, pflückte er eine reife Birne vom Baum. Dann dachte er sich: „Es ist besser, wenn ich zwei mitnehme, falls ich eine unterwegs verliere.“ Als er die zweite Birne gepflückt hatte, verließ er den Garten wieder. Da standen die drei Bären mit weit aufgerissenen Mäulern vor dem Tor. Er sprach: „Metekmak“, aber der erste Bär sagte: „Das bringt dir nun nichts. Ich habe aus Angst um mein Leben meinen Herrn fast verraten, aber jetzt werde ich mich rächen!“ Da liefen die drei Bären auf ihn zu, doch er rannte in den Garten zurück und rief: „Metekmak“, und das Tor schloss sich gerade noch, bevor sie hineingelaufen waren. Nun war Julian aber im Garten gefangen. Zum ersten Mal in seinem Leben bekam er große Furcht und dachte sich: „Welch ein scheußliches Gefühl! Was mache ich jetzt bloß?“
Da sah er Honig aus einer Baumhöhle herausfließen. Er ging zum Tor und fragte die Bären: „Würde euch nicht der wilde Honig aus dem Garten eures Herrn schmecken?“ Da sagte der größte Bär: „Nein, verführ uns nicht! Unser Herr hat uns verboten, davon zu naschen.“ „Dann würde er euch gut schmecken? Ich gebe euch etwas davon und ihr lasst mich laufen!“ Da rief der mittlere Bär: „Nein, das dürfen wir nicht! Wenn wir davon fressen, bekommen wir nicht genug davon. Der Honig im Garten unseres Herrn ist köstlicher als jeder andere!“ Da ging Julian zum Baum mit dem Honig, nahm eine Schüssel, die er in seiner Tasche hatte, füllte sie mit Honig und schüttete diesen über den Zaun, wo die Bären warteten. Voll Gier stürzten sie sich darauf, aber es war viel zu wenig. So musste Julian die Schüssel mehrere Male auffüllen und als die Bären mit Fressen beschäftigt waren und sich um den Honig stritten, sagte er: „Metekmak“. Daraufhin öffnete sich das Tor und er rannte davon. Der größte Bär hatte das aber bemerkt und eilte ihm hinterher. Julian konnte gar nicht so schnell laufen und warf daher dem Bären eine Birne auf den Kopf. Der verschlang sie gierig, während Julian zum Steilhang gelangte und hinunterkletterte. Der Bär konnte nicht hinunter, versuchte aber Steine auf Julian zu werfen, doch keiner von ihnen traf ihn. Unten angekommen, rannte er schnell weiter, um nicht von den Steinen getroffen zu werden.
Da dachte er sich: „Es kann auch gut sein, Furcht zu haben. Denn sie macht vorsichtig und besonnen.“ Nach drei Tagen kam er wieder in der Burg des Königs an. Da die Wirkung des Brunnenwassers schon sehr nachließ, hatte Julian ein jugendlicheres Gesicht und nur mehr wenig Bart. Der König erkannte ihn im ersten Augenblick nicht. Aber Julian überreichte ihm die kostbare Birne und der König erinnerte sich wieder und freute sich. Als seine Gemahlin die Frucht gegessen hatte, wurde sie wieder gesund. Daher wollte der König seine Tochter dem Jungen zur Frau geben. Da Julian wusste, dass er zu jung sei, sagte er zu ihm: „Euer Majestät! Es ist mir eine Ehre! Aber lasst mich noch ein Jahr warten, dann will ich sie zur Frau nehmen!“ Der König willigte ein und Julian ging zu seinen Eltern zurück.
Der Zauberer merkte aber, dass jemand in seinem Garten gewesen war. Denn er kannte jede Pflanze, jede Frucht und sogar jeden Grashalm dort. Als er sah, dass zwei Birnen fehlten und weniger Honig in der Baumhöhle war, fragte er seine Bären, wer denn hier gewesen sei. Sie gestanden, dass ein Eindringling da war und dieser entkommen konnte. Der Zauberer wurde sehr zornig und brüllte: „Das ist doch unglaublich! Ihr Taugenichtse! Ihr werdet das wiedergutmachen müssen! Ich verwandle euch in Raben und ihr müsst ihn innerhalb der nächsten drei Tage finden, sonst vernichte ich euch!“ Daraufhin verwandelte er sie in Raben und sie flogen sofort eilig los. Da Julian wieder die Gestalt eines Jünglings hatte, erkannten sie ihn aber nicht mehr. Die drei Raben trauten sich nicht mehr heim und der Zauberer wartete voll Zorn. Als drei Tage vorüber waren und sie nicht mehr wiederkamen, wurde er derart wütend, dass er einen Sturm in seinem Garten entfachte, der immer stärker und stärker wurde, bis der Zauberer selbst ihn nicht mehr kontrollieren konnte. Der Garten wurde durch den Sturm völlig zerstört und auch der Zauberer wurde vernichtet. Julian heiratete aber nach einem Jahr die Königstochter und lebte mit ihr glücklich bis an sein Ende.
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