Der Prinz und der Diener

Ein Märchen von Anders Baumgartner

Es war einmal ein König, der bekam einen Sohn in einer Winternacht. Die Frau starb aber dabei. Kurz nachdem der Prinz geboren war, erschien ein Schweifstern am Himmel, über den alle staunten. „Das muss ein Zeichen sein“, sagte der König und blickte überrascht auf seinen Sohn. Es vergingen drei Jahre, es war wieder eine kalte Winternacht. Da musste die Frau des höchsten Dieners ein Kind gebären. Und sie bekam einen Sohn, über den sich selbst der König freute. Plötzlich bemerkte jemand am Hof, dass sich am Himmel schon wieder ein Schweifstern zeigte. Da sagte der König zu seinem Diener, der gerade Vater gewordenen war: „Das muss ein Zeichen sein. Dein Sohn soll für den Prinzen der höchste und edelste Diener bleiben.“

Darüber freute sich der Diener und er willigte ein. Die Jahre vergingen. Als der Prinz zwanzig Jahre alt war, war er nicht mehr lange davon entfernt, zum König gekrönt zu werden. Den jungen Diener hatte er tief ins Herz geschlossen und er war glücklich, wenn er bei ihm war. Auch der Diener war mit Freude seinem Herrn treu ergeben. Der König hatte aber sein Versprechen bei der Geburt des Dieners nicht mehr recht in Erinnerung und sagte zu seinem Sohn: „Wenn du dann König bist, musst du dir einen anderen Oberdiener aussuchen, denn deiner ist zu jung, um einem Herrscher zu dienen.“ „Aber Vater! Ich kenne ihn von klein auf und er hat mir stets geholfen, sobald er alt und erfahren genug dafür war!“ „Trotzdem! Es muss ein anderer her. Darüber hinaus habe ich mit seinem Vater Schwierigkeiten. Der ist eitel geworden und verlangt Reichtümer, die ihm nicht zustehen. Ich will den und seinen Sohn woanders hinschicken.“

Da erschrak der Prinz heftig und die Worte hatten ihm vorerst die Sprache verschlagen. Dann fasste er sich wieder und sagte: „Vater! Nein! Lass mir meinen treuen Diener!“ „Sohn, sei nicht störrisch! Es hat keinen Sinn.“ Doch der Prinz gab nicht nach und ging zornerfüllt in seine Kammer. Der König wollte nun den Diener seines Sohnes und dessen Vater in das Schloss eines Herzogs schicken, der einen halben Tag entfernt lebte. Doch der Prinz hatte einen Einfall. Er sagte am Tag vor der Abreise zu seinem Diener: „Sieh her! Das hier sind die Eheringe meines Vaters und meiner Mutter! Mein Vater kann sie nicht mehr sehen, weil er sonst zu rührselig wird. Ich habe die Diamanten heruntergetan, damit die Ringe nicht mehr zu edel aussehen. Du wirst aber einen an deinem Finger tragen. Wenn dich im fremden Schloss deswegen jemand fragt, dann sag, das sei dein Ehering und deine Liebe lebe im Königsschloss!“ Der Diener wollte dies nicht tun und weigerte sich. Doch der Prinz gab nicht nach und der Diener steckte ihn sich an. Auch der Prinz tat zum Spaß den anderen auf seinen.

Als der junge Diener und sein Vater im Schloss des Herzogs waren, fragte ein hoher Bediensteter dort: „Was ist das für ein schöner Ring, den du da trägst?“ „Das ist mein Ehering.“ „Du junger Spund bist verheiratet? Wo ist denn deine Geliebte?“ „… im Schloss des Königs.“ „Dann sollst du von Zeit zu Zeit dorthin, um sie zu besuchen. Das kann ja nicht sein, dass der Ehegatte nie bei seiner Vermählten ist. Da wir auch deinen Vater hierhaben, bist du in diesem Schloss noch recht entbehrlich, daher kannst du sie besuchen.“

Der junge Diener freute sich und durfte bald darauf ins Königsschloss. Dort hielt er sich beim Prinzen auf, der sich darüber sehr freute. So blieb es in den nächsten Monaten, dass der Diener von Zeit zu Zeit in das Königsschloss konnte. Eines Tages bemerkte der König aber, dass sein Sohn und der Diener einander trafen und dieselben Ringe trugen. Voll Zorn rief er seinen Sohn zu sich und fragte ihn schroff: „Was tut dein Diener hier? Er sollte doch im Herzogsschloss sein. Und wieso trägt ihr Ringe?“ „Vater! Ich habe ihn ins Herz geschlossen und daher möchte ich, dass er mich besuchen kann. Man ließ das im Schloss des Herzogs jedoch nur zu, weil er einen Ring trug, den er als Ehering ausgab.“ „Ihr seid von Sinnen! Gib mir deinen Ring!“ Der Prinz wollte nicht, aber da der König nicht nachgab, musste er gehorchen. So nahm der Vater den Ring und wollte ihn ins Feuer werfen, doch da hörte er eine laute Stimme, die rief: „Halt! Wirf nicht weg den Ring, den du trugst mitsamt deinem Liebling!“ Da verstand er, dass es sein Ehering war. Er ging zu seinem Sohn und fragte: „Warum hast du ihn genommen und den Diamanten heruntergetan?“ „Ich hatte keine andere Wahl. Du warst zu streng.“

Der König war sehr wütend und forderte nun auch den anderen Ring und die Diamanten zurück. Der Prinz gehorchte und der Vater verwahrte sie nun selbst. Dann ging er zum Diener seines Sohnes und sagte zu ihm: „Du hast unrecht getan. Darum sollst du nur mehr niedrige Dienste verrichten, weit weg von meinem Schloss!“ Der Prinz hörte dies, da er vor der Tür stand, und erschrak. Nachdem der König mit dem jungen Diener gesprochen hatte, sagte der Prinz zum König: »Du hattest versprochen, dass er mein Diener bleiben würde. Jetzt willst du ihn aber davonjagen. Das lasse ich nicht zu!« „Das kannst du nicht bestimmen!“ Doch der Prinz gab nicht nach und die beiden stritten sich. Der Vater ließ sich jedoch nicht beschwichtigen und legte sich schlafen. Da sah er, als er aus dem Fenster blickte, den Nachthimmel rot erleuchtet. Er erschrak ein wenig und er fragte sich, ob das ein Zeichen sei. Da fielen ihm auch die Schweifsterne ein, die er einst gesehen hatte. „Tatsächlich! Ich hatte einst versprochen, dass der Diener der höchste meines Sohnes sein sollte!“ Am nächsten Tag rief er seinen Sohn und den Diener zu sich und sprach: „Es stimmt! Ich habe es einst gesagt und muss mich daran halten! Der Diener soll weiterhin für den Prinzen arbeiten.“ Da freuten sich die beiden sehr und wurden nie mehr getrennt.

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