Es war einmal ein Prinz, der liebte es zu reiten, denn so konnte er der Strenge, die in der Burg herrschte, entfliehen. Eines Tages ging er wieder in den Stall, um sein Pferd zu holen, um mit ihm wegzureiten. Da sah er, dass ein neuer Stalljunge eingestellt worden war. Der Prinz war stets misstrauisch gegenüber neuen Dienern und fragte: „Geht es meinem Pferd auch gut?“ „Ja“, antwortete der Stalljunge, „es ist wohlauf. Ihr könnt mit ihm ausreiten.“ Da nahm der Prinz das Pferd, aber der Stallknecht sprach: „Hoheit! Nehmt dieses gelbe Band hier mit. Es wird Euch Glück bringen.“ „Wie soll es mir nützen?“ „Das werdet Ihr schon erfahren.“ Der Prinz ritt aus und dachte sich: „Das ist schon ein komischer Junge. Ob der seine Arbeit wohl richtigmacht?“ Da sah er plötzlich eine Schlange und er warf in der Angst das Band des Stalljungen auf sie. Die Schlange wurde vom Band umwunden und konnte sich nicht mehr rühren. Der Prinz ließ das Pferd anhalten und blickte verdutzt zurück. „Was hat es mit dem Band auf sich?“ Er ritt zurück zur Burg und fragte den Stallburschen: „Woher hattest du das Band, das du mir gegeben hatst?“ „Von meinem Großvater. Der schenkt mir oft wundersame Dinge und ist sehr weise. Er sagte mir, jemand trachtet Euch nach dem Leben.“ „Wer ist mein Feind?“ „Das weiß ich nicht.“ Dem Prinzen war der Stallknecht ein wenig unheimlich geworden und er dachte sich: „Das Reich ist mir und meinem Vater treu ergeben. Große Feinde habe ich nicht. Aber der Stallknecht ist mir nicht ganz geheuer. Wirkt er auch nett und freundlich, so benimmt er sich doch rätselhaft.“
So ging der Prinz am nächsten Tag wieder in den Stall und sagte zum Jungen: „Ich will, dass du nicht mehr bei mir arbeitest.“ Da wurde der Stallknecht sehr traurig und sagte mit gesenktem Kopf: „Euer Majestät! Niemand darf sich Euch widersetzen. Euer Wort ist Gesetz. Aber lasst mich Euch noch etwas geben. Dieses kleine Bällchen hier wird Euch vor Gefahr erretten können.“ „Nun fängst du wieder damit an. Ich habe keine Feinde und ich brauche nicht errettet zu werden.“ Der Stallknecht ließ den Kopf hängen, legte das blaue Bällchen hin, verabschiedete sich und ging fort. Das Pferd nahm aber das kleine Bällchen ins Maul, der Prinz merkte dies jedoch nicht. Als er ausritt, sah er unterwegs ein unbekanntes, kleines Tier mit scharfen Klauen. Da spuckte das Pferd das Bällchen aus, doch traf das Tier nicht. Der Prinz stieg vom Pferd, nahm das Bällchen und warf es auf das sonderbare Tier. „Wie kann es sein, dass in meinem Wald solch ein unbekanntes Tier lebt? Das muss hier jemand ausgesetzt haben. Der Stallknecht muss die Wahrheit gesagt haben. Aber wer trachtet mir nach dem Leben?“
Der Prinz ritt zurück zur Burg und fragte seinen Vater, ob man denn den Stallknecht wieder einstellen könne. Der gewährte ihm den Wunsch, doch der Stalljunge war gekränkt und sprach zum König: „Ich war dem Prinzen wohlgesinnt, aber dieser hatte mir nicht geglaubt und mich weggeschickt. Nun soll ich wieder kommen, wenn es ihm recht ist.“ Da erwiderte der König: „Junge, sei dankbar für die Arbeit, die wir dir geben. Du darfst für den Prinzen arbeiten, du musst das schätzen.“ Da willigte der Stalljunge missmutig ein. Der Prinz sagte aber zu ihm, als er ihn im Stall sah: „Es war nicht recht von mir, dich wegzuschicken. Du hast dich um mich gesorgt.“ Die zwei begannen sich aber bald gut zu verstehen. Der Prinz hatte jedoch Angst, wieder auszureiten und fragte: „Weiß denn dein Großvater noch immer nicht, wer mir nach dem Leben trachtet?“ „Nein. Und weil er mir noch nichts gegeben hat, das ich Euch zur Verteidigung geben könnte, solltet Ihr besser noch nicht ausreiten.“ Erst ein paar Tage später gab der Stallknecht ihm ein Stöckchen und sagte: „Damit könnt Ihr Euch schützen.“ Da blickte der Prinz verdutzt und sprach: „Mit einem Stöckchen soll ich mich verteidigen? Da finde ich im Wald längere Stöcke!“ „Vertraut mir!“ Der Prinz ritt daraufhin aus. Nach einer Weile fand er im Wald einen großen, vermummten Mann, über den er sehr erschrak. Der Prinz ließ das Pferd anhalten und rief: „Wer seid Ihr?“
Doch der Mann gab keine Antwort. Der Prinz hatte aber zur Sicherheit sein Schwert mitgenommen und hielt es dem Fremden entgegen. Dieser entriss es ihm jedoch gekonnt und schleuderte es davon. Dann packte er den Prinzen und nahm ihn vom Pferd. Dabei fiel dem Königssohn das Stöckchen auf den Boden. Er schrie und zappelte, doch der Fremde ließ ihn nicht los und brachte ihn weg. Das Pferd war starr vor Schreck. Als es sich wieder besann, hob es das Stöckchen auf und rannte zurück zur Burg. Das Pferd berichtete dem Stallknecht mit Schnauben, was geschehen war. Da erschrak er sehr und ritt mit dem Pferd zu der Stelle, wo das geschehen war. Dort rief er: „Fremder! Erscheine! Lass den Prinzen frei!“ Da aber niemand erschien, rief der Stalljunge unaufhörlich weiter und auch das Pferd wieherte laut und ohne Ende. Der Fremde erschien und schrie voll Wut: „Verschwinde! Der Prinz gehört nun mir!“ Da warf der Stallknecht das Stöckchen auf den Mann, der daraufhin geschwächt zusammenbrach. Plötzlich erschien der Prinz und sagte voll Freude zum Stallungen: „Habe tausendmal Dank! Ohne dich hätte ich es nicht geschafft; der Zauberer wollte mir Böses antun.“ Dann ritten sie nach Hause. Sie wurden die besten Freunde und verstanden sich ihr ganzes Leben lang gut miteinander.
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