Das rätselhafte Häuschen

Ein Märchen von Anders Baumgartner

Das rätselhafte Häuschen

Es war einmal ein Mann namens Georg, der kaufte sich ein Häuschen, das durch einen ausgedehnten Wald von der Stadt getrennt war und auf einer Wiese in höherer Lage stand. Das Häuschen war durchaus lieblich anzusehen und so hatte er eine wahre Freude damit. Als er es aber einrichtete, hörte er oft eigenartige Geräusche, die er sich nicht erklären konnte. In der ersten Nacht, in der er im Häuschen schlief, hörte er ein besonders lautes Knarren. Er sah sich mit einer Kerze in der Hand im Haus um, doch er konnte nichts finden. Da fragte er sich erschrocken: „Ob da draußen jemand ist?“ Er traute sich aber nicht, das Haus zu verlassen, und ging in das Bett zurück. Darin zitterte er vor Angst wegen des unbekannten Geräuschs. Da es nun ruhig war, überfiel ihn doch die Müdigkeit, sodass er bald einschlief. Am nächsten Tag war es wieder stiller, dennoch hörte er gelegentlich Geräusche.

Abends kam ihm vor, als ob etwas vor dem Fenster funkelte. Als er hinaussah, war es aber verschwunden. Er hatte schon Angst, dass er in der nächsten Nacht wieder einen Lärm hören würde. Die erste Hälfte der Nacht war ruhig, doch dann weckte ihn ein Geräusch, das sich anhörte, als ob jemand eine knarrende Türe in einem Nebenraum öffnen würde. Georg bekam fürchterliche Angst und begann zu zittern. Er hörte danach kein Geräusch mehr, konnte aber trotzdem nicht schlafen. So stand er auf und verschloss die Zimmertür. Dann legte er sich wieder ins Bett und schlief nach einer Weile ein. Am nächsten Morgen hatte er Angst, das Schlafzimmer zu verlassen. Als er sich aber in die Küche geschlichen hatte, um zu frühstücken, zitterte er noch immer vor Angst und wandte sich des Öfteren um, um zu sehen, ob nicht jemand hinter ihm stehe. Nachdem er gegessen hatte, verließ er das Häuschen und ging durch den Wald in Richtung Stadt.

Als er durch diesen gegangen war, kam er an einer Siedlung vorbei und fragte dort die Leute, wem das Häuschen, das er gekauft hatte, einst gehörte. Doch ein Bauer, der hier lebte, antwortete: „Ich weiß nur, dass da nie einer lange wohnt. Vor Jahren hat jemand als Erstes den ganzen Grund mitsamt Haus erworben, obwohl niemand wusste, wer es gebaut hatte. Die Leute sagen, es spukt da drinnen.“ Georg war ganz erschrocken, da sagte eine Frau: „Oder du fragst den alten Mann, der oben im Wald wohnt. Der weiß sehr viel! Schau, über uns da ganz oben liegt sein Haus!“ Da blickte er hinauf und sah in der Höhe des steilen, bewaldeten Berghanges ein Häuschen zwischen Kiefern eingebettet.

So ging er hinauf und klopfte an die Tür. Der alte Mann machte ihm auf und fragte: „Was willst du denn von mir?“ Da antwortete ihm Georg: „Ich möchte nur fragen, ob du weißt, was es mit dem einen Häuschen auf sich hat, das auf der Wiese hinter dem Tannwald liegt?“ Da ließ ihn der alte Mann hinein und erzählte ihm: „In deinem Häuschen hat einst ein Zauberer gewohnt. Als er noch lebte, war das Häuschen viel größer und war von mächtigen Bäumen und Hecken umgeben, die es versteckt hielten. Doch als der Zauberer starb, schrumpfte das Haus und die meisten Bäume rundherum stürzten um. Da er von keinem besiegt worden war, blieb ein Teil seiner Macht aber auch nach seinem Tod erhalten. So kommen manchmal Zauberdinge zum Vorschein oder der eine oder andere Gegenstand oder Raum verändert sich für kurze Zeit.“ „Das ist ja furchtbar! Da muss ich sofort wieder ausziehen, bevor mir etwas Böses geschieht? Aber wem soll ich so ein verzaubertes Haus verkaufen? Das kann ich nicht tun!“, sagte Georg erschrocken. „Hab keine Angst! Du brauchst dich nicht zu fürchten. Da keiner mehr da ist, der dich verzaubern kann, bist du nicht in Gefahr. Du könntest aber die Zaubermacht des einstigen Magiers brechen“, sprach der alte Mann. „Wie denn?“, fragte Georg neugierig. „Wenn du seinen dunkelroten Hut findest, dann musst du ihn verbrennen.“ „Ach, so einfach ginge das?“, fragte Georg überrascht. „Nun, er müsste erst erscheinen. Und du müsstest ihn finden. Aber es ist nur mehr etwas Macht erhalten geblieben, so kann man den Hut wohl recht leicht zerstören.“

Da bedankte sich Georg und ging zu seinem Häuschen zurück. Als er es aus der Ferne sah, merkte er, dass das Dach edler und größer zu sein schien. Plötzlich sah es wieder wie vorher aus und er dachte sich: „Na warte, der Zauber wird bald vorbei sein!“ Als er im Häuschen war, durchsuchte er es nach dem Hut des Zauberers, aber er konnte ihn nicht finden. Als er nachts schlief, hörte er keine Geräusche. Aber in der Morgendämmerung war ein lauter Krach zu hören und er wachte dadurch auf. Als er seine Augen öffnete, sah er, dass sein Zimmer auf einmal ganz anders aussah. Er erschrak und verließ das Bett und das Schlafzimmer. Die anderen Räume schienen wie früher geblieben zu sein und er fand auch den Hut des Zauberers nirgends. Als er in das Schlafzimmer zurückging, merkte er, dass es wieder normal aussah. „Das ist ein verflixtes Haus!“, sagte er wütend. Es vergingen ein paar Tage, da verwandelte sich die Küche und war nicht mehr wiederzuerkennen.

Georg wollte sie gerade betreten und erschrak, als er sie ganz verändert vorfand. Da entdeckte er aber auf einem Tisch etliche sonderbare Kugeln, einige Zauberbücher, einen Mantel und auch den dunkelroten Hut. Er nahm diesen und ging mit ihm hinaus, um ihn zu verbrennen. Doch als der Hut mit der Flamme in Berührung kam, erschienen plötzlich sechs Raben, die Georg angriffen. Er wehrte sich und lief schreiend in das Häuschen zurück. „Der alte Mann hat mir doch gesagt, dass mir nichts geschehen kann! Was soll ich jetzt bloß machen?“, grübelte er. Dann ging er in die verwandelte Küche und sah darin wieder die sonderbaren Kugeln, die von roter Farbe waren. Er zögerte etwas, doch dann nahm er behutsam sechs von ihnen und ging mit ihnen hinaus. Da warf er die Kugeln auf die Raben. Als sie getroffen wurden, lösten sich die Vögel in Luft auf. Der Hut lag aber noch unversehrt neben der Feuerstelle. Georg nahm ihn vorsichtig und warf ihn ins Feuer. Plötzlich knallte es laut und die Macht des Zauberers war endlich gebrochen. Georg freute sich sehr und konnte von nun an in Frieden im Häuschen leben.

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