In einem kleinen Schloss lebten einmal vier Schwestern. Die drei älteren waren hochmütig, bösartig und garstig, die jüngste schön und liebenswert. Die älteren Schwestern ließen die jüngste viel im Haus arbeiten und behandelten sie schlecht. Deshalb weinte sie oft und ging nachts in den Wald hinter dem Schloss, in dem eine weise Eule lebte. Diese tröstete sie jedes Mal und sprach: „Weine nicht! Eines Tages wird die Gerechtigkeit siegen und du wirst dein Glück finden. Du wirst es schon sehen.“ Eines Tages fuhr der Prinz mit zwei Dienern in seiner Kutsche durch das Land, als ein starkes Gewitter begann. Sie kamen währenddessen an einem Baumstumpf vorbei, auf dem die Eule saß. Sie rief dem Prinzen in der Kutsche zu: „Euer Hoheit! Übernachtet in diesem Schloss! Dort werdet Ihr Euer Glück finden! Durch ein Zeichen werdet Ihr die wahre Liebe erkennen!“ Dann verschwand die Eule plötzlich. Der Prinz und seine Diener waren sehr überrascht darüber.
Er befahl seinem Kutscher, anzuhalten und alle vier eilten zum Schloss und klopften an das Tor. Da öffnete ihnen die jüngste Schwester und sie ließ die vier hinein. Die drei älteren Schwestern tischten den Gästen auf und waren sehr freundlich. Aber die Jüngste musste all das Essen kochen. Schließlich musste sie den Gästen vier Kammern zeigen, in denen sie die Nacht verbringen konnten. Danach sagte sich die älteste Schwester: „Jetzt hat das Gewitter endlich aufgehört. Ich will zum Waldesrand gehen und die weise Eule fragen, was ich tun kann, um den Prinzen dazu zu bringen, mich zu heiraten.“ Sie ging zum Waldesrand und befragte die Eule. Diese antwortete: „Nimm eine Lilie und steck sie in das Schlüsselloch der zweiten Kammer.“ Die Älteste befolgte dies. Dann hatte auch die Zweitälteste den Entschluss gefasst, die Eule zu befragen. Dieser antwortete sie: „Nimm eine Rose und steck sie in das Schlüsselloch der dritten Kammer.“ Auch sie befolgte dies. Dann wollte auch die dritte Schwester die Eule befragen und ihr wurde geraten: „Nimm eine Kornblume und steck sie in das Schlüsselloch der vierten Kammer.“ Auch sie befolgte das.
Die jüngste der Schwestern glaubte gar nicht daran, dass der Prinz sie ehelichen würde. Sie saß in ihrem Kämmerlein, als plötzlich die Eule zu ihrem Fenster flog. Diese sagte zu der Jüngsten: „Nimm eine Mohnblüte und steck sie in das Schlüsselloch der Kammer, in der der Prinz schläft.“ Sie fand nur eine Mohnblüte im Garten und tat, was ihr die Eule geraten hatte. Sie war die einzige der Schwestern, die wusste, in welcher Kammer der Prinz schlief. Am nächsten Morgen öffnete der Prinz die Tür seiner Kammer und sah, dass eine wunderschön leuchtende Mohnblume im Schlüsselloch steckte. Da fiel ihm ein, dass die Eule gesagt hatte, dass er an einem Zeichen die wahre Liebe erkennen werde. Er ging zu den Schwestern und fragte: „Wer hat mir diese Mohnblume geschenkt?“ Da antwortete die jüngste Schwester schüchtern: „Das war ich, Euer Hoheit!“ In diesem Moment erkannte er, dass es die Richtige war. Die Blumen der anderen Schwestern waren bereits halb vertrocknet. Die beiden Diener und der Kutscher fragten, von wem ihre Blumen seien. Als die drei Schwestern es zugaben, sprach der Prinz: „Dann wird auch das ein Zeichen gewesen sein. Ihr werdet auch alle heiraten!“ Die drei Schwestern wollten nicht, aber sie konnten nicht widersprechen. Die zwei Diener und der Kutscher waren hässlich und recht grob.
Bald darauf heiratete die jüngste Schwester den Prinzen und sie wurden zu König und Königin gekrönt. Auch die drei älteren Schwestern heirateten. Doch schon bald darauf fand man heraus, dass die zwei Diener Geld gestohlen hatten und der Kutscher während einer Fahrt betrunken war. Daher vertrieb der König die drei und deren Frauen aus seinem Schloss. Die Königin lebte aber glücklich mit ihrem Gemahl bis an ihr Lebensende.
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