Es war einmal ein König, der jagte mit zwei Dienern im Wald. Da erschien plötzlich ein Männchen, das den König grüßte und ihn fragte, was er denn jage. Dieser wollte sich mit dem Männchen nicht abgeben und setzte seine Jagd fort. Doch bald darauf tat sich eine Grube mitten im Wald auf, in die der König und sein Gefolge stürzten. Sie schrien um Hilfe und bald erschien das Männchen, das hinunterrief: „Das hast du davon, König! So ist es gerecht!“ Der König bereute seinen Stolz aber und rief: „Oh, bitte hilf uns heraus!“ Das Männchen antwortete: „Ich helfe dir und deinem Gefolge nur, wenn du mir den Thron gibst und ich an deiner Stelle König sein darf.“ Da erschrak der König und sprach: „Nein, den Thron kann ich dir nicht geben! Ich überlasse dir den ganzen Wald hier und gebe dir Gold und Edelsteine, aber König kannst du nicht sein!“ Da wurde das Männchen unwillig und schrie: „Na gut, dann verrotte hier! Dann wirst du auch nicht mehr lange Herrscher sein!“ Da rief der König: „Nein, warte! Wirst du gut zu meinem Volk sein? Wer weiß, ob es dich respektiert?“ „Lass das meine Sorge sein! Ich kann mich durchsetzen! Gib mir deinen Ring und den einen Diener mit; der soll bestätigen, dass du für mich abdankst“, erwiderte das Männchen.
Der König willigte ein und der Boden unter ihm und seinen Dienern hob sich plötzlich. Dadurch standen sie wieder auf dem Waldweg vor dem Männchen, das sofort den Ring forderte. Der König gab ihm ihn und das Männchen sagte zu einem Diener: „Du kommst mit und bestätigst, was hier geschehen ist. Wenn du lügst, sollst du zu Staub werden!“ Der König sprach zu diesem Diener: „Ich habe es versprochen, daher muss ich es halten. Geh mit ihm mit und sage, dass ich abdanken musste!“ Dann sagte das Männchen zum König: „Du wirst mit dem anderen Diener, den ich dir lasse, in meinem Holzhäuschen im Wald leben.“ Das Männchen ging mit dem Ring an der Hand und dem Diener zur Königsburg. Da die Wächter die beiden nicht hineinlassen wollten, blies das Männchen diese an und sie fielen um. In der Burg angekommen, zeigte es den Hofleuten seinen Ring und den Diener, der alles bestätigte. Man wollte es nicht krönen, doch es bestand darauf und drohte allen, sie zu versteinern. So willigte man ein und krönte das Männchen zum König. Es regierte aber grausam und ungerecht.
Es vergingen einige Jahre, da verirrte sich ein junger Mann im Wald, in dem der abgedankte König und sein Diener leben mussten. Der junge Mann fand das Holzhäuschen und klopfte an die Tür. Dann öffnete der Diener und ließ ihn hinein. Der Gast erzählte den beiden, wie grausam das Männchen regierte. Da erschraken sie und der abgedankte König klagte: „Was hat er mit meinem Reich gemacht? Ich hätte lieber in der Grube verhungern sollen!“ Da wurde der junge Mann stutzig und fragte, was dieser damit meine. Er erzählte, dass er einst König war, aber zugunsten des Männchens abdanken musste. Der junge Mann war sehr verwundert und fragte, ob man denn nichts tun könne. „Nein“, antwortete der ehemalige König, „das ist wohl nicht möglich. Man müsste das Männchen besiegen, was aber kaum möglich ist. Am Berg der Stille sollen zu bestimmten Zeiten besondere Pilze wachsen. Würde das Männchen von diesen Pilzen essen, würde es besiegt werden.“ „Wann wachsen diese Pilze?“, fragte der Mann. „Das weiß niemand. Es ist alles hoffnungslos.“
Der junge Mann ging am nächsten Tag zum besagten Berg, denn er wollte die Pilze finden. Als er im Wald des Berges angekommen war, suchte er eine Weile, fand aber gar keine Pilze. Da begegnete er einem Fuchs. Dieser fragte ihn: „Was suchst du hier?“ Er antwortete: „Ich suche nach jenen Pilzen, die nur hier auf diesem Berg wachsen.“ Da sprach der Fuchs: „Dann meinst du wohl die Pilze, die das Männchen, das jetzt König ist, vergiften können. Sie wachsen nur dann, wenn zum ersten Mal nach Neumond wieder die Mondsichel zu sehen ist. Wenn der König die verzehrt, wird er sich in Luft auflösen. Aber wieso soll er deine Pilze essen?“ Der junge Mann überlegte und wusste keine Antwort. Dann sprach der Fuchs: „Ich weiß aber, dass dieses Männchen jeden Tag im Sommer einen anderen besonderen Pilz aus Wäldern holen lässt, der ihm Zaubermacht verleiht. Den treuen Diener, der ihm ihn in die Burg bringt, musst du finden. Du musst ihm mit List den Zauberpilz abspenstig machen und ihm die giftigen Pilze dieses Berges andrehen.“
Der junge Mann bedankte sich und musste zwölf Tage warten, bis die Mondsichel zu sehen war, und lebte derweil in einer nahen Hütte. Als die Mondsichel erschien, wuchsen auf einmal die sonderbaren Pilze aus dem Waldboden, die einen leuchtend roten Hut trugen. Der Mann sammelte sie und sah den Fuchs wieder. Da sagte der Mann zu ihm: „Kannst du nicht mit mir kommen? Wohl niemand ist schlauer als du. Ich weiß nicht so recht, wie ich den Diener überlisten soll.“ Der Fuchs seufzte und zögerte etwas, bis er sprach: „Ach, ich soll meinen Wald verlassen? Nur wegen eures Königs? Dabei habe ich jetzt mehr Ruhe als früher. Da kam das Männchen zur Zeit der Mondsichel und zertrat die Pilze hier.“ „Wenn es aber vernichtet ist, besteht gar keine Gefahr mehr, dass es jemals wieder hierherkommt.“ „Du bist ein Plagegeist. Du musst mir schon etwas versprechen, damit ich es tue.“ „Was soll ich dir schon versprechen? Ich besitze nichts.“ Dann überlegte der Fuchs und sagte: „Weißt du was? Wenn der König besiegt ist, musst du mich hier im Wald vor den Menschen beschützen, solange ich lebe.“ Widerwillig sagte der Mann zu und sie gingen hinunter ins Tal.
Nicht weit von der Burg entfernt fanden sie den besagten Diener, der mit dem Pilz zum Männchen ritt. Der Fuchs lief auf ihn zu und wollte das Pferd beißen, das sich aufbäumte und den Diener hinunterwarf. Das Pferd lief davon, aber der Diener lag erschrocken da und bat den Fuchs: „Bitte tu mir nichts! Bitte tu mir nichts!“ Der junge Mann hatte sich aber im Gebüsch versteckt und sah einen Sack, der neben dem Diener lag. Er warf einen Blick hinein und sah den seltenen Pilz, tat ihn heraus und den Pilz vom Berg der Stille hinein. Dann verschwand er wieder im Gebüsch. Der Diener hatte aber aus Angst vor dem Fuchs nichts bemerkt. Dann ging das Tier davon und der Diener erhob sich, nahm den Sack mit den Pilzen und eilte zu Fuß in die Burg. Das Männchen musste im Sommer jeden Tag den Zauberpilz essen, um Macht bis zum nächsten Sommer zu haben. Daher verlangte es wieder die Pilzsuppe, die es so gern aß. Diesmal wurde ihm aber nun eben der Pilz vom Berg der Stille serviert. Als es nur etwas von der Suppe gegessen hatte, löste es sich in Luft auf. Alle in der Burg erschraken, aber freuten sich auch sehr. Der Diener des einstigen, nun in der Holzhütte lebenden Königs, ritt in den Wald und meldete ihm, dass das Männchen besiegt worden sei. Die Pilzsuppe wurde verschüttet, damit sich niemand damit vergiften konnte. Der König wurde wieder gekrönt und alle waren glücklich. Aber er begann zu prahlen, das Männchen besiegt zu haben, und wollte sich zum Sieger erklären lassen. Nur der junge Mann musste im Bergwald den Fuchs beschützen.
Aus der verschütteten Pilzsuppe entstanden auf einmal unzählige Fliegen, die bald den König umschwärmten und sich durch nichts abschrecken ließen. Sie belästigten aber keinen anderen Menschen. Der König war erschrocken und befragte einen Hellseher, wieso er unter der Fliegenplage leide. Da antwortete dieser: „Weil Ihr gelogen habt, König. Ihr habt das Männchen nicht besiegt. Es war jener junge Mann, dem Ihr in der Holzhütte begegnet seid. Er hat den sonderbaren Pilz gefunden, der das Männchen in Luft aufgelöst hat. Ein Fuchs hat ihm geholfen und beide sind im Wald des Berges der Stille. Der junge Mann soll König werden, sonst bleibt die Fliegenplage. Ihr habt schon wieder unrecht gehandelt und weil Ihr Euch nicht ändert, dürft Ihr nicht mehr regieren.“ Doch der König wollte nicht schon wieder seinen Thron verlieren. Die Fliegenplage wurde aber immer schlimmer, weil sich die Tiere vermehrten, und der König konnte nicht mehr essen und schlafen. Widerwillig ließ er Diener aussenden, die den jungen Mann suchten und in die Burg holten. Dieser bekannte, dass er mithilfe des Fuchses das Männchen besiegt hatte. Daher wurde er zum König gekrönt und ließ aus Dank den Fuchs von zwei Soldaten beschützen. Der abgedankte König wurde von den Fliegen befreit, musste aber hart für sein Brot arbeiten.
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